Gestörter Bauablauf: Gemeinkosten-Ausgleich für AGK

Verfahrensvergleich und Empfehlungen für einen sachgerechten Gemeinkostenausgleich für Allgemeine Geschäftskosten im gestörten Bauablauf.

Quellenangabe: Heilfort, Durchführung eines differenzierten Gemeinkostenausgleichs für Allgemeine Geschäftskosten im gestörten Bauablauf, BauRecht, Heft 10/2010, S. 1673 – 1680

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Die Anpassung der Vertragspreise an einen von den vertraglichen Vereinbarungen abweichenden Leistungsumfang ist eines der zentralen Probleme des Bauvertragsrechts. Nach welchen Regeln und mit welchem Ergebnis diese Anpassung zu erfolgen hat, hängt zunächst von den Ursachen für die Leistungsänderung, sodann davon ab, welche Auswirkungen die Veränderung des Leistungsumfangs auf die Vertragspreise und die ihnen zugrunde liegende Kalkulation des Unternehmers hat. Die Ermittlung und Darstellung dieser Auswirkungen ist schon rechtlich schwierig genug. Sie wird überdies zu einem baubetrieblichen Problem, wo es um in die Vertragspreise eingeflossene Kostenelemente geht, die nicht dem konkreten Bauobjekt zugeordnet sind, sondern unabhängig vom Betrieb der Baustelle anfallen. Das betrifft insbesondere die Allgemeinen Geschäftskosten (AGK), die der Unternehmer in aller Regel nach seinem Ermessen auf die in den einzelnen Preispositionen repräsentierten Herstellkosten umlegt. Der folgende Beitrag beschäftigt sich aus baubetrieblicher Sicht mit den Grundlagen für die Einbeziehung der AGK in die Preisfortschreibung und plädiert für eine nach den Ursachen für die Leistungsänderung differenzierende Betrachtungsweise.

1. Vorbemerkungen

Bei der Abwicklung von Bauverträgen kommt es regelmäßig zu komplexen Abweichungen von der ursprünglich geplanten Leistungserbringung, die sich nahezu immer auf das Verhältnis zwischen kalkulierten, erforderlichen und erzielten Allgemeinen Geschäftskosten auswirken. Die Höhe des vom Auftragnehmers tatsächlich abgerechneten Deckungsbeitrages für Allgemeine Geschäftskosten wird dabei vor allem durch folgende Fälle beeinflusst:

  • Entgangene Deckung wegen Mindermengen unter 90 %,
  • Zusätzliche Deckung aus Mehrmengen über 110 %,
  • Zusätzliche Deckung aus Nachtragspositionen,
  • Entgangene Deckung aus Entfallpositionen,
  • Ansprüche aus unterdeckten Allgemeinen Geschäftskosten im gestörten Bauablauf.

Da diese unterschiedlichen Fallgruppen zwar nahezu immer simultan auftreten, Ansprüche des Auftragnehmers aber isoliert ermittelt werden, besteht die Möglichkeit einer Über- beziehungsweise Unterdeckung der in den betroffenen Positionen enthaltenen Allgemeinen

Geschäftskosten. Hinzu kommt, dass die aus fehlenden allgemeinen Regelungen folgenden Unsicherheiten über die korrekte Anspruchsberechnung oft zu „taktisch begründeten Anwendungen der Nachweismethoden“ führen[2].

In diesem Beitrag wird erläutert, wie unter Berücksichtigung der tatsächlichen Mehr- und Minderkosten für die einzelnen Fallgestaltungen ein differenzierter Ausgleich der Allgemeinen Geschäftskosten erfolgen kann[3].

2. Allgemeine Geschäftskosten bei der Preisermittlung

Allgemeine Geschäftskosten sind alle diejenigen Kosten, die in einem Unternehmen zentral anfallen und keinem konkreten Bauprojekt zugeordnet werden. Ob und welche Kosten den Allgemeinen Geschäftskosten (AGK) oder den Baustellengemeinkosten (BGK) zugeordnet werden, liegt allein im Ermessen eines Bauunternehmens[4]. So könnte ein Oberbauleiter, der gleichzeitig verschiedene Baustellen betreut, sowohl anteilig den Baustellengemeinkosten der betreffenden Projekte zugeordnet als auch in voller Höhe unter Allgemeinen Geschäftskosten verbucht werden[5].

Die Allgemeinen Geschäftskosten eines Bauunternehmens sind indirekt für die Erbringung der Werkleistung erforderlich und damit auch Grundlage der ursprünglichen Preisermittlung. Dennoch wird vom AG in der Regel keine Position ausgeschrieben, in die ein Bauunternehmer seine AGK „hineinkalkulieren“ könnte. Vielmehr müssen die AGK nach einem frei wählbaren Verteilprinzip auf die Herstellkosten der vorhandenen Positionen umgelegt werden[6].

Auch in den Einheitsformblättern, die bei öffentlichen Vergaben regelmäßig mit dem Angebot eingereicht werden müssen, ist zwingend ein einheitlicher Zuschlagssatz anzugeben, ganz gleich, wie tatsächlich die Ermittlung der von einem Auftrag zu deckenden Allgemeinen Geschäftskosten erfolgte[7].

Zusammensetzung Allgemeiner Geschäftskosten eines mittelständischen Bauunternehmens

Zusammensetzung Allgemeiner Geschäftskosten eines mittelständischen Bauunternehmens

Erst durch diese Ausschreibungspraxis wird ein Bieter quasi gezwungen, die Verteilung der AGK über den „Umweg“ einer prozentualen Umlage auf die kalkulierten Selbstkosten eines Bauprojektes vorzunehmen[8]: Dazu wird nun zum Beispiel den in der Tab. 1 aufgeschlüsselten AGK von 3 Mio. € p. a. ein Jahresumsatz in Höhe von 30 Mio. € gegenübergestellt. Zur Deckung der AGK ist damit ein mittlerer Deckungsbeitrag für AGK in Höhe von 10 % des Umsatzes einer Baustelle erforderlich. Ein auf dieser Grundlage erstelltes Angebot in Höhe von 1 Mio. € enthält damit eine Deckung für Allgemeine Geschäftskosten im Umfang von 100.000 €. Bezogen auf die Herstellkosten (HK) aus Einzelkosten der Teilleistungen (EKT) sowie Baustellengemeinkosten (BGK) entspricht dies einem Zuschlagssatz in Höhe von 11,11 % (100.000 € AGK / 900.000 € HK).

Dies ist aber nur ein durchschnittlicher Zuschlagssatz. In der Praxis kann – unterstützt von allen gängigen Kalkulationsprogrammen – eine völlig freie Festlegung von unterschiedlichen Zuschlagsätzen erfolgen: Einzelne Positionen, Kostenarten, Hauptkostengruppen oder ganze Bereiche eines Leistungsverzeichnisses können damit in unterschiedlichem Umfang zur Deckung der insgesamt in einem Unternehmen entstehenden Allgemeinen Geschäftskosten herangezogen werden. So könnte ein Unternehmer zum Beispiel frühe oder voraussichtlich von Mengenmehrungen betroffene Positionen mit relativ hohen prozentualen Zuschlag­sätzen oder absoluten Vorwegumlagen bezuschlagen[9]. Wohlgemerkt – dabei geht es nicht um die Höhe der Gemeinkosten insgesamt, sondern um deren Verteilung auf die einzelnen Positionen[10].

Darüber hinaus müssen die theoretisch erforderlichen nicht den tatsächlich im Angebotspreis enthaltenen Deckungsbeiträgen für Allgemeine Geschäftskosten entsprechen. So könnte ein Bauunternehmen bei entsprechendem Wettbewerbsdruck auch mit einem geringeren als dem eigentlich erforderlichen Zuschlagssatz kalkulieren – und umgekehrt. In diesen Fällen wären die Allgemeinen Geschäftskosten bereits bei Zuschlagserteilung kalkulatorisch unter- bzw. überdeckt.

Letztlich ist die Verwendung eines sich am Umsatz orientierenden allgemeinen Zuschlagssatzes nur eine Hilfsgröße, aus der nicht geschlossen werden kann, dass die Allgemeinen Geschäftskosten vollständig umsatzabhängig entstehen oder kalkuliert sind. Drittler[11] bezeichnet dieses erzwungene Kalkulationsverfahren dann auch ganz zutreffend als „Krücke, mit der die Zeitvariabilität in der Entstehung der AGK auf Unternehmensebene nicht zum Ausdruck kommt.“

3. Allgemeine Geschäftskosten bei der Preisfortschreibung

Da nahezu kein Bauvorhaben so wie geplant realisiert wird, sind bei einer nachgewiesenen Anspruchsgrundlage auch die ursprünglich vereinbarten Preise fortzuentwickeln. Ganz gleich, ob es sich dabei um zufällige Abweichungen, angeordnete Änderungen oder vertragswidrige Eingriffe in den Bauablauf handelt – immer wirkt sich die Definition der Kosteneigenschaften von Allgemeinen Geschäftskosten relativ deutlich auf die Anspruchshöhe des Auftragnehmers aus[12].

Aus den vom AN gegebenenfalls einzureichenden Angaben zur Kalkulation lässt sich jedoch meist nur die Höhe des einkalkulierten Deckungsbeitrags für Allgemeine Geschäftskosten ermitteln[13], nicht die Herleitung oder Zusammensetzung der auf die einzelnen Kostenansätze umgelegten AGK und damit die Grundlagen der Anspruchsermittlung. Aufgrund der unklaren Preisermittlungsgrundlage bleibt je nach Interessenlage Raum für Interpretationen und unterschiedliche Auffassungen zum Umgang mit Allgemeinen Geschäftskosten bei der Preisfortschreibung. Nachfolgend werden die wichtigsten Lösungsansätze zusammengefasst.

3.1 Umsatzabhängige AGK-Fortschreibung

Nach dieser Auffassung wird für den Gemeinkostenausgleich die vollständig umsatzabhängige Kalkulation der Allgemeinen Geschäftskosten unterstellt[14]. Bei den für Bauprojekte typischen Umsatzerhöhungen, z. B. durch Nachträge oder Mengenmehrungen, würden dem AN dementsprechend die über die kalkulierten Zuschläge für Allgemeine Geschäftskosten zusätzlich erlösten Deckungsbeiträge in vollem Umfang zustehen – und zwar explizit „ohne Nachweis deren tatsächlicher Inanspruchnahme“[15].

Für den Fall von Bauzeitverzögerungen mit niedrigeren als den geplanten Umsätzen in der betreffenden Periode sehen Vertreter der Umsatzabhängigkeit von AGK zwei Lösungen vor. In der auftraggeberfreundlichen Variante werden die störungsbedingt nachgewiesenen Mehrkosten (Einzelkosten und Baustellengemeinkosten) lediglich mit den ursprünglichen Zuschlagsätzen für AGK bezuschlagt[16]. Bei diesem Verfahren wird jedoch z. B. wegen störungsbedingt verringerter Stoff- oder Lohnkosten nur ein Bruchteil der AGK-Fehldeckung berücksichtigt[17]. In der auftragnehmerfreundlicheren Variante sollen hingegen die aus einer störungsbedingten Umsatzminderung entgangenen Deckungsbeiträge voll erstattet werden[18], wobei jedoch bei der Ermittlung der Umsatzminderung die zusätzlich erzielten Umsätze aus Nachträgen und Mengenmehrungen anzurechnen wären[19].

3.2 Zeitabhängige AGK-Fortschreibung

Vor allem bei der Anspruchsermittlung aus einem gestörten Bauablauf werden die AGK mit Blick auf deren Entstehung als überwiegend zeitabhängig betrachtet. Die Höhe der Fehldeckung wird demnach ermittelt, indem „der Absolutbetrag aus der Urkalkulation durch die Vertragsbauzeit dividiert und dieser zeitvariable Einheitsbetrag mit der Bauzeitverlängerung multipliziert wird.“[20] Lang[21] hat darüber hinaus einen nachzuweisenden Zeitfaktor der Allgemeinen Geschäftskosten in Höhe von 70 bis 80 % eingeführt, um den dieser zeitvariable Einheitsbetrag abzumindern ist. Weiterhin sind dabei auch die zusätzlich erzielten Deckungsbeiträge aus Nachträgen und Mengenmehrungen anzurechnen. Die Berücksichtigung der durch den etwaigen Einsatz freigewordener Ressourcen in anderen Projekten erzielten AGK-Deckung wird nur in Ausnahmefällen befürwortet[22].

3.3 Keine Fortschreibung fixer AGK

Allgemeine Geschäftskosten könnten nach dem OLG Schleswig auch als prinzipiell weder umsatz- noch zeitabhängig betrachtet und bei der Kalkulation und Abrechnung immer als „unveränderlicher Festbetrag“ berücksichtigt werden[23]. Auch das KG definiert die Allgemeinen Geschäftskosten als Fixkosten, die bereits mit Erreichen der Angebotssumme gedeckt werden. In der Folge sind bei darüber hinausgehenden Umsätzen des AN Zuschläge für Allgemeine Geschäftskosten nicht zu berücksichtigen, da ansonsten eine Überdeckung eintreten würde[24]. Da die Fixkosten unverändert bleiben, dürften insofern Mehrmengen keine fixen AGK-Zuschläge enthalten[25].

4. Durchführung der Ausgleichsberechnung für Allgemeine Geschäftskosten

4.1 Differenzierte Betrachtung der AGK

Das OLG Nürnberg[26] hat 2002 in der Urteilsbegründung bereits die Vorgehensweise zu einer differenzierteren Analyse der Allgemeinen Geschäftskosten beschrieben: „Ansonsten müsste regelmäßig eine aufwendige spätere Nachkalkulation stattfinden, um den tatsächlichen Deckungsgrad der allgemeinen Geschäftskosten dem vorgesehenen Deckungsgrad gegenüberzustellen und die Auswirkungen der Mengenmehrungen hierauf zu ermitteln.“ Diese richtig erkannte Alternative wurde jedoch nicht weiter verfolgt, da entsprechend der Argumentation des klagenden Bauunternehmens „in der Praxis ein Bedürfnis“ auf eine „pauschalierte Kalkulation“ bestehen würde.

Tatsächlich verursacht eine differenzierte Analyse und Fortschreibung der Kosteneigenschaften von Allgemeinen Geschäftskosten nur wenig Aufwand[27]: Anhand der Betriebsbuchhaltung können die Allgemeinen Geschäftskosten des für das Angebot maßgeblichen Geschäftsjahres problemlos analysiert werden[28]. Die Tabelle 1 zeigt das Beispiel einer derartigen Kostenstellenübersicht mit den Daten eines mittelständischen Bauunternehmens sowie einer Bestimmung der zeitabhängigen, umsatzabhängigen oder fixen AGK-Anteile[29].

Wie in Tabelle 1 gezeigt, entstehen Gehälter (Nr. 1 – 3), Sozialleistungen (Nr. 4) und Verpfle­gungsmehraufwand (Nr. 16) für die Angestellten der Verwaltung ebenso wie die Mieten (Nr. 6) jeden Monat in nahezu unveränderter Höhe und werden daher in Spalte 5 zu 100 % als zeitab­hängig bewertet. Bei einer stabilen Belegschaft können zumindest mittelfristig auch die Lohnkosten und die daraus resultierenden Beiträge zur Bauberufsgenossenschaft (Nr. 5) als zeitabhängig betrachtet werden. Beiträge zu Verbänden (Nr. 13) bestimmen sich anteilig nach Umsatz und Lohnsumme und werden daher zu je 50 % als zeit- und umsatzabhängig eingeordnet, ebenso wie die Kosten für Bürobedarf (Nr. 7) sowie für Geschäftsausstattung (Nr. 14) und Bewirtung (Nr. 15). Rechts- und

sonstige Beratungskosten (Nr. 10) sowie Reisekosten (Nr. 11) können jeweils zu einem Drittel als umsatz- oder zeitabhängig bzw. fix definiert werden. Als vollständig gewinn- und damit umsatzabhängig kann die Gewerbesteuer (Nr. 12) angenommen werden. Weder zeit- noch umsatzabhängig sind die Kosten aus der Repräsentation (Nr. 8) und Werbung (Nr. 9).

Auch wenn die Eigenschaften der einzelnen Bestandteile der Allgemeinen Geschäftskosten des Beispielunternehmens noch genauer aufgesplittet werden könnten[30], ist ohne großen Aufwand eine differenzierte Analyse der tatsächlichen Zusammensetzung kalkulierter Allgemeiner Geschäftskosten möglich[31].

In der Summe entsteht im Beispielunternehmen mit 78 % der überwiegende Anteil der AGK zeitabhängig[32]. Etwa 17 % der insgesamt umzulegenden Allgemeinen Geschäftskosten sind im Beispiel eher vom Umsatz abhängig, während sich ein fixer Anteil in Höhe von ca. 5 % nicht sinnvoll in Zusammenhang zur Zeit oder zum Umsatz dieses Bauunternehmens setzen lässt. Diese tatsächliche Zusammensetzung der Allgemeinen Geschäftskosten ist auch dann Bestandteil der Preisermittlungsgrundlage, wenn der Auftragnehmer diese Kosten mit seinem Angebot nicht aufgeschlüsselt hat.

4.2 Toleranzpositionen

Für diejenigen Positionen, deren Abrechnungsmenge (RE-Menge) ohne zu Grunde liegende Anordnungen des AG im Toleranzbereich von +/- 10 % der ausgeschriebenen Menge (LV-Menge), also von einschließlich 90 % bis einschließlich 110 % liegt, ist gemäß § 2 Nr. 3 VOB/B eine Anpassung der vereinbarten Einheitspreise nicht zulässig. Entsprechend dürfen diese Positionen auch im Gemeinkostenausgleich nicht berücksichtigt werden, auch dann nicht, wenn die tatsächlich abgerechneten Mengen

generell größer als 100 % und kleiner als 110 % sind und der Auftragnehmer damit ohne entsprechende Mehrkosten zusätzliche Deckungsbeiträge erwirtschaftet hat.

4.3 Mindermengenpositionen

Für zufällige, also nicht aus Anordnungen oder Planungsänderungen des AG resultierende Mindermengen unter 90 % der LV-Mengen ist gemäß § 2 Nr. 3 Abs. 3 VOB/B auf Verlangen der Preis zu erhöhen, „soweit der Auftragnehmer nicht durch Erhöhung der Mengen bei anderen Ordnungszahlen (Positionen) oder in anderer Weise einen Ausgleich erhält.“

Im Gegensatz zu entstehenden Mehrmengen, für die ein Gemeinkostenausgleich nur für die Mengen über 110 % erfolgt, ist bei Mindermengenpositionen ein Selbstbehalt oder dergleichen nicht vorzunehmen. Bei der Berechnung des zusätzlichen Anspruchs des AN wird vielmehr der ursprüngliche Gemeinkostenzuschlag vollständig auf die neue, verringerte Menge umgelegt. Der Anspruch des AN aus der Unterdeckung ist jedoch mit Überdeckungen in Mehrmengen- oder Nachtragspositionen zu verrechnen[33]. In diesen Fällen ist dann auch vorrangig eine Ausgleichsberechnung durchzuführen, während die Bildung eines neuen Einheitspreises zurückstehen kann[34].

Unstrittig ist, dass dem Auftragnehmer unter Berücksichtigung eines Ausgleichs „in anderer Weise“ sowie etwaiger aus der Mengenminderung folgender Minderkosten eine Erstattung der ursprünglich kalkulierten Allgemeinen Geschäftskosten zusteht.

Kapellmann[35] verlangt unter Verweis auf den Wortlaut von § 2 Nr. 3 Abs. 3 Satz 2 VOB/B[36] einen vollen Ausgleich der entfallenden Deckung. Auch Franz/Kues[37] fordern, dass die „umsatzbezogenen, kalkulierten AGK [..] in voller Höhe zu Gunsten des Auftragnehmers berücksichtigt werden“ müssen“. In beiden Fällen wird jedoch nicht berücksichtigt, dass aufgrund der aus den Mindermengen folgenden Umsatzverringerung beim Auftragnehmer auch entsprechend niedrigere Allgemeine Geschäftskosten entstehen.

Wenn die für die Baustellengemeinkosten bereits anerkannten, differenzierten Regeln zur Berücksichtigung der tatsächlichen Mehr- und Minderkosten[38] auch auf die Allgemeinen Geschäftskosten angewendet werden, sind dem Auftragnehmer die kalkulierten AGK mit Ausnahme des ersparten umsatzabhängigen Anteils zu erstatten.

Im Beispiel erhält der Auftragnehmer damit eine Erstattung in Höhe von 83 % des insgesamt kalkulierten Deckungsbeitrags für Allgemeine Geschäftskosten.

4.4 Mehrmengenpositionen

Mehrmengenpositionen sind alle diejenigen Positionen des Leistungsverzeichnisses, in denen ohne zu Grunde liegende Anordnungen des Auftraggebers gegenüber der ursprünglich vereinbarten Menge (LV-Menge) nunmehr eine Abrechnungsmenge (RE-Menge) von mehr als 110 % festgestellt wird. Gemäß § 2 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B sind für den Gemeinkostenausgleich nur die Mengen über 110 % heranzuziehen und unter Berücksichtigung der Mehr- und Minderkosten neue Preise zu vereinbaren. Dem Auftragnehmer wird insofern eine Überdeckung der Gemeinkosten im Umfang von 10 % der kalkulierten Beträge zugestanden.

Auch bei Mehrmengen übt die Definition der Kosteneigenschaft von Allgemeinen Geschäftskosten einen erheblichen Einfluss auf die Anspruchshöhe aus: Während bei einer umsatzabhängigen Definition der Allgemeinen Geschäftskosten der kalkulierte Zuschlag auch für die Mehrmengen voll anzusetzen wäre[39], schließt die Definition der AGK als vorwiegend zeitabhängig oder fix bei Mehrmengen Ansprüche des AN aus[40].

Bei einer differenzierten Betrachtung der tatsächlichen AGK-Zusammensetzung entstehen dem Auftragnehmer jedoch durchaus Mehrkosten aus Mehrmengen, da sich die umsatzabhängigen Bestandteile der Allgemeinen Geschäftskosten mit höheren Umsätzen ebenfalls erhöhen. Diese konkreten Mehrkosten sind dem Auftragnehmer auch zu erstatten. Im Beispiel wären damit im neuen Preis für die Mehrmengen 17 % des ohne Gemeinkostenausgleich in der Abrechnungssumme enthaltenen AGK-Zuschlags zu berücksichtigen.

4.5 Nachtragspositionen

Wenn der Auftraggeber durch angeordnete bzw. nachträglich anerkannte Leistungsänderungen in die vereinbarte Leistung eingreift, kommt § 2 Nr. 3 VOB/B nicht zur Anwendung. Vielmehr entstehen in diesen Fällen Nachträge vorrangig auf Grundlage von § 2 Nr. 5, 6 und 8 VOB/B.

Soweit in den Preisen für technische oder bauzeitliche Nachträge Deckungsbeiträge enthalten sind, werden die zu Grunde liegenden Positionen vollständig in die Ausgleichsberechnung einbezogen[41]. Der in der vereinbarten Nachtragsvergütung gegebenenfalls enthaltene Deckungsbeitrag wird jedoch im Nachhinein nicht gemindert, sondern entsprechend § 2 Nr. 3 VOB/B lediglich als Ausgleich „in anderer Weise“ bei Positionen mit relevanten Mengenminderungen oder zur Deckung der aus auftraggeberseitigen Störungen resultierenden Mehrkosten berücksichtigt[42]. Diese Regelung ist ebenfalls auf Eventual- und Alternativpositionen anzuwenden, die zunächst nicht beauftragt und erst im Zuge der Projektabwicklung vom Auftraggeber abgerufen worden sind. Bei Alternativpositionen werden die entfallenden Grundpositionen wie entfallende Normalpositionen betrachtet.

Die beim AN aufgrund der höheren Umsätze entstehenden Allgemeinen Geschäftskosten sollten dadurch gedeckt werden, dass der umsatzabhängige Anteil an den kalkulierten AGK-Zuschlägen erstattet wird – im Beispiel also 17 % der AGK-Deckung ohne Ausgleichsberechnung.

4.6 Entfallpositionen

Ursachen für den Entfall vollständiger Positionen können zufällige Mengenminderungen gemäß § 2 Nr. 3 VOB/B, angeordnete Leistungsänderungen gemäß § 2 Nr. 5, 6 und 8 VOB/B, Selbstübernahmen gemäß § 2 Nr. 4 Abs. 4 bzw. (Teil-) Kündigungen gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 2 sein[43]. Bei Mengenminderungen und Leistungsänderungen steht dem AN die Erstattung der kalkulierten AGK zu, im Kündigungsfall die vereinbarte Vergütung abzüglich der ersparten Aufwendungen und etwaiger anderweitiger Erwerbe. Da im Regelfall sowohl die Minderkosten als auch die ersparten Aufwendungen der Höhe der kalkulierten Einzelkosten der Teilleistungen entsprechen und ein anderer Erwerb dann angenommen werden kann, wenn der Auftrag insgesamt durchgeführt wird und die Abrechnungssumme die Auftragssumme überschreitet[44], können diese verschiedenen Ursachen für Entfallpositionen im Zuge des Gemeinkostenausgleich im Regelfall einheitlich behandelt werden.

Die ursprünglich kalkulierten Allgemeinen Geschäftskosten sind auch bei Entfallpositionen mit Ausnahme des ersparten umsatzabhängigen Anteils und damit im Beispiel in Höhe von 83 % zu erstatten.

4.7 Ansprüche aus unterdeckten AGK im gestörten Bauablauf

Verringert sich aufgrund der eingetretenen Bauzeitverlängerung der Umsatz in einem Zeitraum, verringern sich auch die über die reguläre Leistungserbringung vereinnahmten Deckungsbeiträge für die hinsichtlich ihrer zeitabhängigen Bestandteile unverändert weiterlaufenden Allgemeinen Geschäftskosten[45]. Die entstehende Deckungslücke kann auch nicht durch die zeitlich spätere Leistungserbringung ausgeglichen werden, da eine Bauzeitverlängerung die für die Leistungserbringung

erforderlichen Ressourcen bindet und somit etwaig vorgesehene Anschlussprojekte nach dem ursprünglichen Bauende ebenfalls nur verspätet oder überhaupt nicht realisiert werden können. Diese nicht gedeckten zeitabhängigen Allgemeinen Geschäftskosten, die auch während eines gestörten Bauablaufs mit verringerten oder verschobenen Umsätzen weiter anfallen, sind als unmittelbare Folgen von Bauablaufstörungen vom Verursacher zu ersetzen[46].

Bei einer differenzierten Berücksichtigung der tatsächlichen Kosteneigenschaften kalkulierter AGK wird für die Mehrkostenermittlung aufgrund von Bauzeitverlängerungen der zeitabhängige Anteil berücksichtigt, der im Beispiel in Höhe von 78 % ermittelt wurde. Diese Summe fließt ebenso wie in den vorstehenden Fällen voll in die Ausgleichsberechnung ein.

5. Fazit

Im Ergebnis wird durch die beschriebene Vorgehensweise erreicht, dass der berechtigte Anspruch des Auftragnehmers auf Ausgleich der kalkulierten Allgemeinen Geschäftskosten auch bei Mengen- und Leistungsänderungen sowie bei vom Auftraggeber zu vertretenden Bauzeitverlängerungen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Mehrkosten gewahrt bleibt, ohne dass der Auftraggeber Doppelberechnungen, Preisspekulationen oder die Vernachlässigung von Minderkosten befürchten müsste.

Die differenzierte Betrachtung der Kosteneigenschaften von Allgemeinen Geschäftskosten ermöglicht damit einen sachgerechten Interessenausgleich zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber und führt zudem zu einer Vereinheitlichung der Abrechnung beziehungs­weise Abrechnungsprüfung für die unterschiedlichen Fallgruppen auch bei der klassischen Umlagekalkulation.

Der relative geringe Mehraufwand zur Ermittlung und Berücksichtigung der tatsächlichen Kosteneigenschaften von Allgemeinen Geschäftskosten wird durch die Vorteile einer stringenten Anspruchsermittlung hingegen mehr als aufgewogen.

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[1] Der Autor ist Sachverständiger für Bauablaufstörungen, vgl. www.heilfort.de

[2] Schottke, BM+BW 05/2004, S. 40; ebenso Büch­ner/Gral­la/Kattenbusch/Sundermeier, BauR 2010, 688, 688.

[3] Als Regelfall wird ein Einheitspreisvertrag mit einer höheren Abrechnungssumme und einer verlängerten Bauzeit definiert. Einzelkosten der Teilleistungen, Baustellengemeinkosten sowie Wagnis- und Gewinnzuschläge bleiben unberücksichtigt. Die Anspruchsgrundlage wird jeweils vorausgesetzt.

[4] So auch Freiboth, Ermittlung der Entschädigung bei Bauablaufstörungen, Diss., 2006, S. 131f.

[5] Gerade kleinere Bauunternehmen unterscheiden die Gemeinkosten regelmäßig nicht nach BGK oder AGK.

[6] Vgl. Büchner/Gralla/Kattenbusch/Sundermeier, BauR 2010, 688, 691.

[7] Vgl. Lang/Rasch, Festschrift Jagenburg 2002, 417, 426 und Freiboth, Ermittlung der Entschädigung bei Bauablaufstörungen, S. 132.

[8] Einen historischen Überblick über die Kritik an der derzeit üblichen Kalkulationsmethode gibt Noosten, Noosten: Die Unterdeckung Allgemeiner Geschäftskosten bei Bauablaufstörungen …, S.61 ff.

[9] Es ist fraglich, ob es sich bei stark differenzierenden Zuschlagsätzen um eine Mischkalkulation handelt. Dagegen spricht, dass in den betreffenden Positionen keine sachfremden Kosten kalkuliert werden. Für eine Mischkalkulation spricht, dass damit gezielt auf Zeitpunkt und Höhe der Abrechnungssumme Einfluss genommen werden kann. Vgl. dazu BGH, Urteil vom 18.05.2004, X ZB 7/04, BauR 2004, 1433.

[10] Weiterführend Reckerzügl, Spekulation in der Bauwirtschaft, Diss., TU Wien, 2000.

[11] Drittler, BauR 2008, 1217, 1221

[12] Vgl. Schottke, BM+BW 05/2004, S. 40.

[13] Entsprechende Angaben finden sich im Einheitsformblatt EFB Preis sowie im Kalkulationsschlussblatt.

[14] OLG Schleswig, Urteil vom 11.05.1995, BauR 1996, 127; OLG Nürnberg, Urteil vom 18.12.2002, IBR 2003, 55; Kapellmann/Schiffers: Vergütung, Nachträge und Behinderungsfolgen beim Bauvertrag, Band 1, Rd. 559; Diehr: VOB/B 2006, S. 46; Leinemann, NZBau 2009, 624, 628; VHB 2008, Abschnitt 4.7.

[15] Franz/Kues, BauR 2006, 1376, 1380.

[16] Vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.04.1986, BauR 1986, 487 ff. und z. B. Kapellmann/Messerschmitt, VOB Teile A und B, § 6 VOB/B, Rdn. 68.

[17] Vgl. Lang/Rasch, FS Jagenburg 2002, 417, 422; Drittler, BauR 1999, 825, 825; Drittler, BauR 2008, 1217, 1218.

[18] So z. B. Leinemann, NZBau 2009, 624, 628 f.

[19] DRITTLER (BauR 2008, 1217, 1223) schränkt bezüglich dieser Verrechnung jedoch ein, dass als maßgebliche Periode nur das Kalenderjahr gilt und zusätzliche Umsätze nur dann berücksichtigt werden, wenn „die Mengenmehrungen, geänderten und zusätzlichen Leistungen (mit) ursächlich für die Verschiebung von Bauleistung waren.“

[20] So Drittler, BauR 1999, 825, 829

[21] Vgl. Lang/Rasch, FS Jagenburg 2002, 417, 432.

[22] Zutreffend Lang/Rasch, FS Jagenburg 2002, 417, 422 und Drittler, BauR 2008, 1217, 1225.

[23] Vgl. OLG Schleswig, 11.05.1995, 7 U 214/91 (BauR 1996, 127). Drittler hält diese Auffassung des OLG Schleswig jedoch für eine Fehlinterpretation seines Beitrages in BauR 1992, 700, 708 (vgl. Drittler: Nachträge und Nachtragsprüfung, Rdn. 29).

[24] KG, Urteil v. 29.09.05, 27 U 120/04, IBR 2006, 611.

[25] Vgl. Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB, B § 2, Rdn. 118.

[26] OLG Nürnberg, 18.12.2002, IBR 2003, 55.

[27] Kritisch: Noosten, Die Unterdeckung Allgemeiner Geschäftskosten bei Bauablaufstörungen …, S. 48.

[28] Vgl. Lang/Rasch, FS Jagenburg 2002, 417, 432.

[29] Die Höhe der jährlichen Kosten wurde um einen Faktor verändert und auf 1.000 € gerundet.

[30] Weiterführend Noosten, Die Unterdeckung Allgemeiner Geschäftskosten …, S. 42 f.

[31] Die Deutsche Bahn AG verlangt in den seit 2005 für Projekte über 1 Mio. € geltenden „Leitlinien zur Einheitlichen Auftrags- und Nachtragskalkulation“ bereits mit der Kalkulation die Definition der Kosteneigenschaften (einmalig oder mengen-, zeit- bzw. umsatzabhängig), die konsequent fortgeschrieben werden. Das von Schottke entwickelte Verfahren führt so zwar zu einem einfachen und transparenten Prüfverfahren, allerdings wird aufgrund fehlender Nachweise zur AGK-Zusammensetzung die Preisspekulation nicht verhindert (so auch Büchner/Gral­la/Katten­busch/Sunder­meier, BauR 2010, 688, 693).

[32] Diese Einschätzung deckt sich mit den Berechnungen von Lang, der den mittleren Zeitanteil auf 70 – 80 % schätzt . Vgl. Lang/Rasch, FS Jagenburg 2002, 417, 432.

[33] Vgl. Drittler, Nachträge und Nachtragsprüfung, Rdn. 69.

[34] Vgl. Kapellmann/Schiffers, Band 1, Rdn. 545; Ingenstau/Korbion, § 2 Nr. 3, Rd. 37.

[35] Vgl. Kapellmann/Messerschmitt, § 6 VOB/B, Rdn. 156.

[36] „Die Erhöhung des Einheitspreises soll im Wesentlichen dem Mehrbetrag entsprechen, der sich durch Verteilung der Baustelleneinrichtungs- und Baustellengemeinkosten und der Allgemeinen Geschäftskosten auf die verringerte Menge ergibt.“

[37] Vgl. Franz/Kues, BauR 2006, 1376, 1377f.

[38] Vgl. z. B. Kapellmann/Schiffers, Bd. 1, Rdn. 532, oder Franz/Kues, BauR 2006, 1376, 1377f.

[39] Vgl. OLG Nürnberg, 18.12.2002 – Az. 4 U 2049/02, IBR 2003, 55 und z. B. Achilles, IBR 2007, 231.

[40] KG, Urteil v. 29.09.05, 27 U 120/04, IBR 2006, 611.

[41] Vgl. Rodde/Bauer/Stassen, ZfBR 2005, 634, 642; KG, Urteil vom 29.09.2005, IBR 2006, 537 und Juntunen, BauR 2010, 698, 699.

[42] Vgl. Drittler, Nachträge und Nachtragsprüfung, Rdn. 87.

[43] Vgl. Juntunen, BauR 2010, 698, 699.

[44] Juntunen (BauR 2010, 698, 701f.) ordnet Entfallpositionen in einem insgesamt durchgeführten Bauvertrag generell § 2 Nr. 3 VOB/B zu.

[45] Es ist mittlerweile allgemein anerkannt, dass aus Bauablaufstörungen prinzipiell ein Anspruch auf Ausgleich entgangener AGK-Deckung folgt. Vgl. Noosten: Die Unterdeckung Allgemeiner Geschäftskosten …, 87 ff. und Drittler, BauR 2008, 1217,1221 m.w.N.

[46] Vgl. OLG Düsseldorf: Urteil vom 28.04.1987 – 23 U 151/86, BauR 1988, 487 und Drittler, BauR 1999, 825

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