Bauablaufstörungen: Anspruchsgrundlage sichern mit MS Project
Vorstellung von MS Project als einem Werkzeug zur Sicherung der Anspruchsgrundlage und zum Nachweis von Bauablaufstörungen.
Quellenangabe: Heilfort, Bauablaufstörungen: Anspruchsgrundlage sichern mit MS Project, Baumarkt + Bauwirtschaft, Heft 3/2002, S. 38 – 41
Bauablaufstörungen: Anspruchsgrundlage sichern mit MS Project
Das Programm MS Project von Microsoft wird häufig nur für die Bauablaufplanung verwendet, so dass viele Funktionalitäten ungenutzt bleiben, die gerade für Bauunternehmen bei Termincontrolling und Nachtragsmanagement ein hohes Nutzpotenzial bieten. In diesem Beitrag wird der Prozess der Sicherung von Ansprüchen aus Bauablaufstörungen erläutert und gezeigt, wie MS Project bei der Planung, Überwachung und Dokumentation von Bauabläufen effizient angewandt werden kann. Die Darstellungen und Empfehlungen resultieren aus Forschung und Praxis des Verfassers in Termincontrolling, Nachtragsmanagement und Gutachtertätigkeit.
Thomas Heilfort, Dresden
Primär dient der Bauablaufplan dazu, Projektziele in eine vertragsgemäße, realistische Prozessplanung umzusetzen. Zusätzlich zu dieser technischen Betrachtungsweise sollten jedoch Abweichungen von der vertragsgemäß geplanten Leistungserbringung mit vertretbarem Arbeitsaufwand dokumentiert, konkreten Ursachen zugeordnet und in ihrem Wirkzusammenhang auch Nichttechnikern vermittelt werden können. Der Ablaufplan muss den zu erwartenden Bauprozess gedanklich vorwegnehmen, aber auch bei Abweichungen handhabbar bleiben.
Projekt sinnvoll strukturieren
Wenn noch nicht geschehen, sollte die Bauleistung hierarchisch gegliedert werden, wozu sich die Verwendung von gestaffelten Sammelvorgängen anbietet. Je nach Komplexität sind zwei bis vier Ebenen üblich (z. B. Haus 1/EG/Rohbau). Wesentliche Leistungsabschnitte bleiben so auch bei umfangreichen Plänen schnell erfassbar.
Die einzelnen Teilleistungen sollten so tief in Vorgänge aufgegliedert werden, dass eine sinnvolle, vorgangsbezogene Überwachung möglich ist und Ansprüche auf Fristverlängerung tagegenau nachgewiesen werden können. Bei Vorgängen, die über mehrere Überwachungszyklen, also länger als 2 bis 3 Wochen, andauern, ist eine weitere Unterteilung zu prüfen.
Meilensteine heben wichtige Ereignisse im Bauablauf hervor, z. B. Baubeginn, Zwischen- und Fertigstellungstermine, aber auch Arbeitsvoraussetzungen wie Planlieferungen, Sub-Vergaben oder Bemusterungen.
Als Puffer für innerbetriebliche Störungen, Schwankungen und Witterungseinflüsse wird empfohlen, auf dem kritischen Weg einen Schein¬vorgang einzuplanen. Dessen Dauer sollte etwa 2 bis 5 % der Bauzeit zuzüglich der witterungsbedingten Ausfalltage betragen.
Vorgänge eindeutig bezeichnen
Um die Kommunikation zu erleichtern, müssen Bezeichnungen die eindeutige Zuordnung von Vorgängen ermöglichen. Wird z. B. in einer Behinderungsanzeige festgestellt, dass die „Wände“ von Störungen betroffen sind, mag dies zwar im Zusammenhang mit dem Baufortschritt nachvollziehbar sein, ohne Kontext fehlt aber jeder Sinn. Auch bei der Verwendung von Filterfunktionen, z. B. für die übersichtliche Darstellung eines Terminbereiches, müssen Vorgänge eindeutig bezeichnet sein, z. B. mit dem Namen „Wände erstellen Haus 1/EG/Achse 0-7“.
Darüber hinaus ist die Vergabe einer festen Identifikationsnummer (ID) sinnvoll, da sich das standardmäßig verwendete Feld „Nr.“ bei neu eingefügten Vorgängen automatisch ändert. Die einfachste Möglichkeit ist, in der Datentabelle eine neue Spalte einzufügen, die auf ein Textfeld zu-greift (Einfügen > Spalte: Feldname: „Text1“). ID-Nummern in dieser Spalte bleiben auch bei Änderungen am Ablaufplan dauerhaft fixiert und lassen sich zugleich problemlos ergänzen, z. B. um eindeutige Kennungen für Behinderungen oder nachträglich angeordnete Leistungen. In allen externen Dokumentationen erleichtern feste ID-Nummern die schnelle Zuordnung von Sachverhalten.
Alle Vorgänge vernetzen
Die Verknüpfung aller Vorgänge nach den Regeln der Netzplantechnik ist besonders wichtig. Änderungen auf dem kritischen Weg oder über Pufferzeiten hinaus sollten sich in jedem Fall auf die nachgelagerten Vorgänge auswirken. Bis auf den Meilenstein „Gesamtfertigstellung“ müssen alle Vorgänge mit einem Nachfolger verknüpft sein, auch diejenigen, die zunächst ausreichend Puffer zu haben scheinen. Neben technologischen sollten auch kapazitative Verknüpfungen zwischen den einzelnen Vorgängen berücksichtigt werden, wenn das Preisangebot auf einem ununterbrochenen Einsatz einzelner Ressourcen aufbaut. Typische Beispiele sind die Verwendung von Schalsätzen oder der Einsatz einer Estrichkolonne hintereinander an mehreren Bauteilen. Anfang-Anfang- und Ende-Ende-Beziehungen können bei Fortschreibungen zu unrealistischen Ergebnissen führen und sollten daher vermieden werden.
Basisplan anlegen
Ist der vertragsgemäße Bauablaufplan aufgestellt, überprüft und gegebenenfalls korrigiert worden, muss unbedingt ein Basisplan angelegt werden (Extras > Überwachung: Basisplan speichern). MS Project speichert dabei insgesamt 20 Vorgangsinformationen als „Geplant“ ab, u. a. Anfang, Dauer und Ende. Auf diese Datenfelder kann bei späteren Änderungen des Bauablaufplans zugegriffen werden, so dass jederzeit tabellarische oder grafische Vergleiche des geplanten und tatsächlichen Bauablaufs möglich sind – eine Grundvoraussetzung für Differenzbetrachtungen zum Nachweis der Anspruchsgrundlage.
Da sich jedoch auch Planwerte ändern können, z. B. durch Vertragsanpassungen oder Nachsteuerungen, sollte der Ursprungsplan zusätzlich als Zwischenplan 1 dokumentiert werden (Extras > Überwachung: Zwischenplan speichern). Dabei überträgt das Programm die Datensätze „Anfang/Ende“ in die Felder „Anfang1/Ende1“.
Informationen visualisieren
Grafische Darstellungen dienen der schnelleren kognitiven Erfassung komplexer Sachverhalte. Auch wenn Daten doppelt vorliegen – auf einem großformatigen Bauablaufplan sind unbeschriftete Balken viel zu weit von der Tabelle oder Zeitskala entfernt, um Informationen zuverlässig ablesen zu können. Daher sollten ausgewählte Vorgangsinformationen zum geplanten, tatsächlichen und erwarteten Bauablauf direkt am Balken dargestellt werden (Format > Balkenarten).
Das Bild 1 zeigt, welche Balkenarten mindestens definiert werden sollten, welche Darstellungen auch im Schwarz-Weiß-Druck erkennbar sind und auf welche Datenfelder die einzelnen Balkenarten zurückgreifen. Im Register „Text“ kann definiert werden, welche Informationen aus beliebigen Datenfeldern direkt am Balken angezeigt werden sollen. In Bild 2 ist ein nach diesen Prinzipien formatierter Balken abgebildet.
Kontinuierliche Überwachung
Vom ursprünglichen Bauablaufplan können sowohl die aktuellen Ist- als auch die erwarteten oder neu geplanten Soll-Werte abweichen. Bezogen auf einen einzelnen Vorgang lassen sich drei negative Auswirkungen unterscheiden: Der Vorgang beginnt verspätet (Verschiebung), dauert länger an (Verlängerung) oder ist unterbrochen (Unterbrechung). Positiv ist, wenn der Vorgang früher beginnt oder kürzer andauert. Aber auch Ereignisse (Meilensteine) müssen überwacht werden, um fehlende Arbeitsvoraussetzungen rechtzeitig feststellen und dem Auftraggeber anzeigen zu können. Die Verantwortlichkeiten und Ursachen für Abweichungen sind meist vielfältig und müssen jeweils einzeln erfasst und mit Behinderungsanzeigen sowie in Form einer bauablaufbezogenen Darstellung dokumentiert werden.
Bauist erfassen
Die Überwachung beginnt mit der Erfassung des tatsächlichen Bauablaufs. Mindestens wöchentlich sollten für alle relevanten Vorgänge der tatsächliche Beginn („Aktueller Anfang“) und die tatsächliche Fertigstellung („Aktuelles Ende“) erfasst werden. Als Grundlage eignet sich ein Auszug aus dem Bauablaufplan, der nur Vorgänge mit Anfangs- oder Endtermin im definierten Terminbereich enthält (Projekt > Filter: Terminbereich).
Die Bewertung des Leistungsfortschritts der zum Stichtag („Statusdatum“) nicht abgeschlossenen Vorgänge ist oft mit Schwierigkeiten verbunden. Der Verfasser schlägt als die praktikabelste Lösung dieses Problems die Erfassung des tatsächlichen Anfangs („Aktueller Anfang“) und des erwarteten Endes („Ende“) aller Vorgänge vor. Dies ist genauer als die Feststellung eines prozentualen Leistungsfortschritts („%Abgeschlossen“), aber leichter handhabbar als die erwartete Restdauer („Verbleibende Dauer“).
Vor der Dateneingabe ist zunächst die Standardtabelle „Überwachung“ auszuwählen (Ansicht > Tabelle: Überwachung) und bei der ersten Anwendung anzupassen (Einfügen > Spalte: …). Die Spalten sollten mindestens die in Bild 2 gezeigten Datenfelder ausweisen: „Text1“ (Titel: ID), „Name“ (Titel: Vorgangsname), „Aktueller Anfang“ (Titel: Akt. A.), „Aktuelles Ende“ (Titel: Akt. E.), „Ende“, „Abweichung Anfang“ (Titel: Abw. A.) und „Abweichung Ende“ (Titel: Abw. E.).
In die Tabelle müssen für jeden aktuellen Vorgang lediglich zwei Daten eingegeben werden: Ist-Anfangstermine („Aktueller Anfang“) und Ist-Endtermine („Aktuelles Ende“). Bei noch nicht abgeschlossenen Vorgängen bleibt das Ist-Ende („Akt. Ende“) auf „NV“ stehen (No Value – Kein Wert). Dafür ist alternativ die erwartete Fertigstellung („Ende“) einzugeben, wenn diese von der angezeigten Fertigstellung („Ende“) abweicht.
Nach Eingabe der aktuellen bzw. erwarteten Werte sollten alle bis zum Statusdatum erbrachten Leistungen als abgeschlossen festgelegt werden (Extras > Überwachung > Projekt aktualisieren: Statusdatum eingeben, Arbeit als 0 – 100 % abgeschlossen festlegen). Wird der Überwachungstabelle noch eine Spalte „%Abgeschlossen“ hinzugefügt, kann nun der von MS Project berechnete, prozentuale Vorgangsfortschritt abgelesen werden.
Analysieren und Konservieren
Bild 2 zeigt, wie der kritische Vorgang 23 bei Eingabe der zwei erfassten Daten für Ist-Anfang („Akt. A.“: 13.03.) und erwartetes Ende (“Ende“: 16.03.) reagiert. Dem Bauablaufplan können neben der visuellen Auswertung auch unmittelbar die Abweichungen des Anfangstermins um 1 Arbeitstag („Abw. A.“) sowie des Endtermins um 2 AT (Abw. E.“) entnommen werden. Neben der Anfangsverzögerung wird also auch eine längere Dauer als geplant erwartet. Diese Werte berechnet das Programm im Vergleich zum Basisplan.
Die bloße Erfassung nur der terminlichen Auswirkungen einzelner Bauablaufstörungen und deren bauablaufbezogene Darstellung reicht jedoch für eine Anspruchssicherung nicht aus. Vielmehr muss auf die Feststellung der Abweichungen die Ursachenanalyse folgen. Sehr oft kann dieses Wissen jedoch nicht vollständig und vor allem beweiskräftig konserviert werden, so dass viele Ansprüche bereits im Ansatz scheitern.
Kausalitäten dokumentieren und Behinderungsanzeige stellen
Ursachen für Abweichungen sollten folglich zeitnah und direkt im Bauablaufplan dokumentiert werden, und zwar auch dann, wenn die Bauablaufstörungen vom Auftragnehmer verursacht worden sind. Diese Eigenüberwachung dient als Nachweis für den Erfolg von Gegensteuerungsmaßnahmen oder für die Ursachen von Pufferverzehr.
Eine einfache Dokumentation erfasst Grundinformationen in separaten Textspalten (Einfügen > Spalte: Feldname …). Wichtig ist die Ursachenbeschreibung („Text2“) sowie ein Verweis zur Behinderungsanzeige („Text3“) und zur Behinderungsabmeldung („Text 4“). Soll die Qualität der Dokumentation erhöht werden oder treten mehrere Bauablaufstörungen an einem Vorgang auf, ist die Einarbeitung neuer Vorgänge zu empfehlen. Dies erfordert zwar einen höheren Aufwand, ermöglicht aber detaillierte und jederzeit nachvollziehbare Darstellungen zu Abweichungen zwischen Plan-, Soll- und Istwerten zu verschiedenen Zeitpunkten.
Auswirkungen minimieren
Nach Eingabe der Ist-Daten erzeugt MS Project anhand der bestehenden Verknüpfungen einen neuen Bauablaufplan. Sieht der Auftragnehmer zumutbare Möglichkeiten der Minderung negativer Auswirkungen, z. B. durch Umstellung einzelner Vorgänge, sind diese Maßnahmen einzuarbeiten und zu dokumentieren. Die Auswirkungen der Be-hinderung verkürzen sich entsprechend.
Auftraggeber mit Behinderungsanzeige und Bauablaufplan informieren
Glaubt sich der Auftragnehmer in der ordnungsgemäßen Ausführung der Leistung behindert, müssen dem Auftraggeber Tatsache und Wirkung der hindernden Umstände unverzüglich schriftlich angezeigt werden. Der Auftragnehmer sollte sich nie auf die Offenkundigkeit verlassen. Empfohlen wird, die konkret betroffenen Vorgänge, den Zeitraum der geplanten Ausführung sowie Ursache und Auswirkung der Behinderung detailliert anzugeben. In regelmäßigen Statusberichten sollte dem Auftraggeber zudem der fortgeschriebene Bauablaufplan übergeben werden.
Planwerte neu definieren
Auch nach Einarbeitung von zumutbaren Maßnahmen zur Schadensminderung führen Bauablaufstörungen häufig zu deutlichen Terminverzögerungen. Weitere Beschleunigungsmaßnahmen sollten jedoch erst nach Anordnung des Auftraggebers geplant und umgesetzt werden. Vor der Dokumentation eventueller Planmodifikationen ist zunächst der Projektzwischenstand als Basis für spätere Differenzbetrachtungen festzuhalten (Extras > Überwachung: Zwischenplan speichern). Dabei werden die Felder „Anfang/Ende“ in den nächsten freien Zwischenplan (z. B. „Anfang2/En-de2“) übertragen. So können Abweichungen zwischen beliebigen Projektzuständen auch im Nachhinein isoliert betrachtet werden. Ein Handicap von MS Project ist jedoch, dass insgesamt nur 10 Zwischenpläne abgespeichert werden können, so dass für die Dokumentation meist mehrere Dateien erforderlich sind. Jedoch sollte die Datei der letzten Fortschreibung vor einer Neubearbeitung ohnehin gesichert werden. Vor einer Nachsteuerung oder neuen Ist-Erfassung ist zudem der letzte Ablaufplan als Basisplan zu speichern. Die Auswirkungen von Änderungen des Bauablaufplans oder der Ausführung können so nach dem bereits erläuterten Muster erneut festgestellt und dokumentiert werden.
Fazit
Das vorgestellte Verfahren leistet einen wichtigen Beitrag zur Störungsvermeidung, da alle Baubeteiligten für die Folgen nicht plangerechten Verhaltens sensibilisiert werden. Die Erfahrung zeigt, dass Bauherren einer derartigen Prozessüberwachung meist aufgeschlossen gegenüberstehen.